Nachlese zum 2. Theologischen Stammtisch
Ein paar Dinge schaden nicht, wenn man sie weiß!
Die Bibel ist kein Katechismus, keine Dogmatik, schon gar kein Kirchenrecht. Die Bibel verwendet Beobachtungen aus dem Alltag, aber es geht nicht um Natur- und auch nicht um Geschichtswissenschaft.
Die Bibel nimmt den Leser/die Leserin mit in einen jahrtausendalten Strom von Gottsuchern und gibt so Anregungen für die je eigene Gottesbegegnung.
Sie ist eigentlich eine ganze Bibliothek mit unterschiedlichsten Textgattungen, die gattungskonform zu interpretieren sind. (Niemand würde in einem Liebesgedicht den Satz „ich schenk dir mein Herz“ wörtlich nehmen). Ein Liebesgedicht an die Schöpfung – weil sie sehr gut ist – ist somit auch kein naturwissenschaftlicher Faktenbericht auf dem neuesten Stand der Erkenntnisse, aber auf seine Weise wahr. Die ältesten Erzählungen sind wahrscheinlich noch aus der Jungsteinzeit im Übergang zur Bronzezeit. Das meiste im AT stammt aus der frühen Eisenzeit und erzählt von der Gottesführung bei der Volkwerdung der Israeliten. Die Texte des NT sind in der Zeit von etwa 60 bis 100 n. Chr. entstanden. Der Kulturraum ist der Nahe Osten. Einflüsse aus Ägypten, und den Völkern Mesopotamiens sind im AT nachweisbar. Aber ebenso schlägt das griechische Denken (va. bei Paulus und Johannes) durch.
Übersetzungsprobleme:
Wenn wir Bibel lesen ist mitzudenken, dass die Sprachen der Bibel einen ganz anderen Charakter haben als unser deutsch. Schließlich entwickeln wir ja unser Denken in der Begrifflichkeit und der grammatikalischen Logik unserer Muttersprache. Manches lässt sich so nicht exakt übertragen. Joh 1,1 beginnt im deutschen mit: „Im Anfang war das Wort“. Das griechische Archè meint aber eher ein durchgängiges Prinzip und nicht so sehr unser Verständnis vom Anfang, der ja dann vorbei ist.
Tradierungsproblem:
Wenn die Texte so alt sind und wir keine einzige Originalschrift haben, wie kann da behauptet werden, dass da nichts gefälscht worden ist. Zunächst haben sich manche Textkörper tatsächlich entwickelt (es gibt eine hiobsche Grunderzählung zu der nach und nach weitere Gedanken eingefügt wurden).
Es gibt eine Reihe von alten Handschriftenfragmente, die mit dem heutigen Text verglichen werden können – Veränderungen fallen da auf. Z.B. wurde eine Papyrusrolle vom gesamten Jesajatext in den Höllen von Qumran aus dem 2. vorchristlichen Jhdt. gefunden. Der Vergleich macht sicher – der gesamte Text ist mit dem heutigen wortident.
Es gibt einen späteren Einschub im Korintherbrief (noch in biblischer Zeit wurde dem Paulus hier eine Passage unterstellt nach der die Frau im Gottesdienst zu schweigen hätte). Eine kleine Textänderung gibt es noch Im Römerbrief (im 13. Jhd wurde in Röm 16,7 aus der Apostolin Junia ein Apostel Junias – dass eine Frau aus Apostel bezeichnet wird entsprach nicht dem Zeitgeist).
Kanonisierungsproblem:
Für das Christentum fiel die Entscheidung welche frommen Texte jetzt Bibel sind und welche nicht erstmals verbindlich am Konzil von Nicäa (325 n. Chr.) Manche sogenannten apokryphen Textkörper behielten trotzdem in der Volksfrömmigkeit Bedeutung. So ist das Jakobusevangelium eine wichtige Quelle für das Leben der Gottesmutter. Andere wiederum wurden als Irrlehre (Häresie) bezeichnet und teils heftig bekämpft (gnostische Evangelien). Hier wurde auch darüber verhandelt ob die Kirche in einer großen Versammlung damit rechnen kann, dass der Hl Geist bei den Entschlüssen einwirkt.
Auslegungsgeschichte: Es darf aus der Vergangenheit gelernt werden. Manche Auslegungen haben sich als fatal erwiesen, andere sind zeitlos hilfreich.
Humanwissenschaften: Soziologie in der Frage nach der Menschenwürde und einem gerechten Zusammenleben der Menschheit. Die Psychologie liefert wertvolle hinweise über die Bedeutung und Deutung von märchenhaften und mythologischen Erzählungen.
Die traditionelle Lehre spricht von der „Verbalinspiration“. Das heißt jedes Wort ist den Schreibern der Bibel von Gott diktiert.
Lehramtlich durch das Vaticanum II hat sich die Vorstellung, dass die Bibel Selbstmitteilungen Gottes in den Worten von Menschen ist, durchgesetzt.
„Gottes Wort in den Worten von Menschen“
„Da Gott in der Heiligen Schrift durch Menschen nach Menschenart gesprochen hat, muss der Schrifterklärer, um zu erfassen, was Gott uns mitteilen wollte, sorgfältig erforschen, was die heiligen Schriftsteller wirklich zu sagen beabsichtigten und was Gott mit ihren Worten kundtun wollte.“
(aus Dei Verbum, Art. 12)
Damit kann man von einem Kanon im Kanon ausgehen: Nicht jeder Satz ist damit als ein verbal von Gott verkündetes „Diktum – Diktat“ zu begreifen.
Dialogisches Verstehen-lernen im Vertrauen auf den Geist Gottes, der als Parakletos = Beistand von Jesus versprochen ist. Um zu vermeiden, dass man sich in der Auslegung völlig verrennt, tut ein kontroversieller Diskurs gut.